Grundlage dieses überaus liebevoll gestalteten und behutsam formulierten Berichts dieser „Fast-Liebe“ ist vor allem der Schriftwechsel zwischen Annemarie Schwarzenbach und Carson McCullers in der Zeit von Ende 1940 bis zu Annemaries Tod zwei Jahre später. So fragmentarisch und in ihrem Beginn bereits sterbend die Freundschaft der beiden Autorinnen war, so unfertig erscheint einem der vorliegende Titel. Doch allein dem Umstand der miserablen Quellenlage ist es geschuldet, dass die Autorin kein ausführlicheres Bild dieser unvereinbaren und ambivalenten Verbindung liefern kann. Gleichwohl ist es ihr auf beeindruckende Weise gelungen, in größter Achtung vor diesen Frauen ein wunderbares Lesevergnügen zu verfassen. Berliner Literaturkritik 2008 Fast eine Liebe. Annemarie Schwarzenbach und Carson McCullers Lulu, Lolita und Alice Um es gleich vorweg zu nehmen: Sämtliche Bedenken, die man angesichts des Themas „Kindsmusen“ haben könnte, sind bei diesem Werk völlig unangebracht. Alexandra Lavizzari nämlich legt eine literaturhistorische Arbeit im allerbesten Sinne vor, die es versteht, ohne Voyeurismus über eine gar nicht so seltene Neigung bei Schriftstellern gerade des 19. Jahrhunderts zu sprechen, den Zusammenhang mit der Genese der jeweiligen literarischen Werke zu zeigen und dennoch zu verdeutlichen, daß die Hinwendung zu Kindfrauen und ihre Vergötterung eine psychosoziale Störung darstellt. Schon die Einleitung setzt den Leser auf die richtige Fährte: Ausgehend von der Bedeutung der Muse im Allgemeinen für künstlerische Prozesse (Lavizzari zitiert hier Meret Oppenheim) und der Beobachtung, daß die Muse „als starke, selbstbewusste Frau […] mit wenigen Ausnahmen eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts“ ist (S. 8), skizziert die Autorin präzise, ab wann sich die Beurteilung der Rolle von Kindsmusen änderte: 1886 ist hier das entscheidende Datum,... WLA 2007